Abstract

Fischer E., Frey W. & Theisen I. (ed.): Syllabus of plant families. Adolf Engler's Syllabus der Pflazenfamilien. 13th edition by Wolfgang Frey. Part 4. Pinopsida (Gymnosperms), Magnoliopsida (Angiosperms) p.p.: Subclass Magnoliidae [Amborellanae to Magnolianae, Lilianae p.p. (Acorales to Asparagales)]. — Borntraeger Science Publishers, 2015. — ISBN 978-3-443-01087-4. — Hardback, 17 × 25 cm, 1280 g, xi + 495 pp., 2 tables, 127 mostly coloured figures, language: English. — Price: EUR 139.00; available from http://www.schweizerbart.de

Citation: Raus Th. 2016: Book review: Fischer E., Frey W. & Theisen I. (ed.): Syllabus of plant families. Adolf Engler's Syllabus der Pflazenfamilien. 13th edition by Wolfgang Frey. Part 4. Pinopsida (Gymnosperms), Magnoliopsida (Angiosperms) p.p.: Subclass Magnoliidae [Amborellanae to Magnolianae, Lilianae p.p. (Acorales to Asparagales)]. — Willdenowia 46: 479–481. doi: http://dx.doi.org/10.3372/wi.46.46314

Version of record first published online on 30 November 2016 ahead of inclusion in December 2016 issue.

Vor gut einem halben Jahrhundert erschien die 12. Auflage des Angiospermenbandes von Adolf Buglers „Syllabus der Pflanzenfamilien“, am Botanischen Garten und Botanischen Museum Berlin-Dahlem herausgegeben von Professor Hans Melchior (Melchior 1964). Seit 2009 unternimmt es in verdienstvoller Weise Professor Wolfgang Frey, ehemals Direktor des Instituts für Systematische Botanik und Pflanzengeographie der Freien Universität Berlin, eine zeitgenössische 13. Auflage herausgeberisch auf den Weg zu bringen, die fünfteilig konzipiert ist und deren Teil 4 nun vorliegt. Autoren dieses Bandes neben dem Herausgeber sind Professor Eberhard Fischer und Dr. Inge Theisen vom Institut für Integrierte Naturwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. Behandelt werden die Gymnospermen (Pinopsida) und die erste Partie der Angiospermen (Magnoliopsida) mit den Ordnungen Amborellales, Nymphaeales, Austrobaileyales, Chloranthales, Canellalaes, Piperales, Laurales, Magnoliales, Acorales, Alismatales, Petrosaviales, Dioscoreales, Pandanales, Liliales und dem ersten Teil der Asparagales (Agavaceae, Alliaceae, Amaryllidaceae, Aphyllanthaceae, Asparagaceae, Asphodelaceae, Asteliaceae, Blandfordiaceae, Boryaceae, Doryanthaceae, Hemerocallidaceae, Hesperocallidaceae, Hyacinthaceae, Hypoxidaceae, Iridaceae, Ixoliriaceae, Lanariaceae, Laxmanniaceae, Orchidaceae, Ruscaceae, Tecophilaeaceae, Xanthorrhoeaceae und Xeronemataceae). Die übrigen monocotylen Ordnungen (Arecales, Commelinales, Poales, Zingiberales und Dasypogonales) werden zusammen mit den Ceratophyllanae und den Rosidae (Eudikotyledonen) im noch zu erwartenden Teil 5 des Gesamtwerkes abgehandelt.

Die Aufzählung des taxonomischen Inhalts des Teils 4 möge der interessierten Leserschaft dieses neuen Handbuchs zur ersten Orientierung dienen und macht zugleich deutlich, dass vom Syllabus der 12. Auflage, um es salopp zu formulieren, nicht viel übriggeblieben ist — zu fulminant ist der Fortschritt der taxonomischen Forschung der letzten Jahrzehnte, namentlich seit molekularbiologische Methoden die klassische Anatomie, Embryologie und Morphologie als Arbeitsmittel ergänzen. Zahlreiche molekularbiologische Analysen führten zu neuen Einsichten und einem klareren Verständnis der Evolution und Systematik der Pflanzen, zugleich jedoch stagniert die klassische, morphologisch-basierte Taxonomie und sieht sich sogar einem bedenklichen Nachwuchsmangel an Experten gegenüber. Das Ethos der Verfasser ist, alle genannten methodischen Ansätze zu integrieren und an die kommenden Wissenschaftlergenerationen weiterzugeben, um damit breit gebildete junge Fachleute auszubilden, die unser Wissen über die Biodiversität der Erde in vollem Umfang aufrecht zu erhalten verstehen. Es ist ein Werk entstanden, das in unverstellter Würdigung der Englerschen Tradition durch Einbeziehung neuester molekular-phylogenetischer und phylogenomischer Erkenntnisse einen aktuellen Überblick über die Familien und Gattungen der Phanerogamen ermöglicht und zweifellos eine zentrale Referenzbasis für die kommenden Jahrzehnte darstellt.

Diese Referenzbasis ist aber weit davon entfernt, als „heilige Schrift“ missverstanden zu werden. Abweichende taxonomische Auffassungen werden, wo nötig, genannt und diskutiert und auf diesem Hintergrund das hier vertreten Konzept konsequent abgeleitet. Das gilt sowohl für Familien- und Gattungsabgrenzungen als auch für die Definition höherer Rangstufen. Wertvoll ist, dass als Synonyme inkludierte Taxa unter den akzeptierten Taxa im Text genannt werden, so dass der Leser dieselben nicht einfach orientierungslos vermisst. Zu Diskrepanzen auf dem zeitgenössischen Markt der taxonomischen Meinungen (ABG II, AGB III, Kubitzki etc.) wird — dem limitierten Druckraum entsprechend stichwortartig — Stellung bezogen und die eigene Auffassung der Autoren als durchaus relativierbar (ergebnisoffen) gekennzeichnet. Das macht das Werk zu einem unverzichtbaren Arbeitsmittel für die taxonomische “Wahrheitssuche”.

Leser aus Europa und dem Mittelmeerraum wird interessieren, das Acis als Segregat von Leucojum (Amaryllidaceae) anerkannt und Comperia anders als Barlia nicht mit Himantoglossum (Orchidaceae) vereinigt wird, wobei Comperia taurica K. Koch 1849 die Priorität vor C. comperiana (Steven) Asch. & Graebn. 1907 gebührt. Leopoldia und Pseudomuscari werden aus Muscari herausgenommen und Prospero aus Scilla (Hyacintha- ceae). Nigritella geht in Gymnadenia (Orchidaceae) auf, Gynandriris in Moraea (Iridaceae), Hermodactylus und Juno in Iris (Iridaceae), Tamus in Dioscorea (Dioscoreaceae) und Androcymbium, Bulbocodium und Merendera in Colchicum (Colchicaceae). Auf dem Feld der von ihm so bezeichneten „Monstergattungen“ Drimia, Ornithogalum und Scilla, die monophyletisch neu zu ordnen der jüngst verstorbene Franz Speta (Linz) seit zwanzig Jahren bemüht war, haben einige der von ihm aufgestellten Segregate (Fessia, Menvilla, Pseudoprospero, Zagrosia) Anerkennung gefunden, andere hingegen nicht (Avonsera, Autonoe, Charybdis, Chonardia, Ebertia, Igidia, Othocallis, Pfosseria, Rhadamantopsis, Schnarfia, Zahariadia). Dass Anthericum und Paradiseo nun zu den Agavaceae zählen, mag für mitteleuropäische Floristen noch gewöhnungsbedürftig sein. Auf weitere derartige Einzelheiten einzugehen ist hier nicht der Raum.

Ausdrücklich erwähnt werden soll jedoch, dass bei den Gymnospermen erstmals die gesamte bekannte fossile Diversität, vor allem die in China in den jüngsten zehn Jahren neu entdeckte, ein Teil der Gesamtbetrachtung ist. Ähnlich innovativ ist die vorgelegte weltweite und in ihrer Vollständigkeit zur Zeit konkurrenzlose Bearbeitung der Orchidaceae (S. 1: „a fully revised and modern treatise“) mit geradezu atemberaubenden, zum Teil erst vor wenigen Jahren bekannt gewordenen Details zur Blütenmorphologie, Bestäubungsbiologie, Autogamie, Apomixis, Verbreitungsbiologie, Mycotrophie und Phylogenie — eine Meisterleistung wissenschaftich hochwertiger Kompilation aus einer schier unübersehbaren Menge an Primärliteratur.

Unter den Einkeimblättrigen sind mit den Alliaceae, Iridaceae und Orchidaceae drei Familien dargestellt, die mit ihrem Reichtum an Zier- und Nutzpflanzen von enormer wirtschaftlicher Bedeutung sind. Crocus sativus (Safran) und Vanilla planifolia (Vanille) sind aktuell die teuersten Gewürze der Welt, und allein in Deutschland (siehe S. 425) wurden im Jahre 2009 45,6 Millionen getopfte Orchideen im Wert von 400 Millionen Euro als Zimmerpflanzen verkauft (hauptsächlich Hybriden der Gattungen Phalaenopsis, Cymbidium, Dendrobium, Miltonia, Oncidium und Paphiopedilum).

Der Band ist mit 104 im Text verstreuten Farbtafeln illustriert, die eine Menge staunenswerter Aufnahmen seltenster und ökologisch hochspezialisierter Regenwaldarten zeigt (z.B. Thismiaceae, S. 250; Triuridaceae und Stemonaceae, S. 259); Corsiaceae, S. 270; Taeniophyllum coxii, S. 403). Ein paar eher redundante Bildplätze, die sinnvoller hätten genutzt werden können (etwa bei Narthecium, S. 246), tun dieser optischen Informationsfülle keinen Abbruch.

Die nomenklatorischen Autoren sind konsequent nach Brummitt & Powell (in der elektronischen Version von 2011) standardisiert, eine keineswegs überflüssige Mühe, denn schon eine unterlassene Abkürzung, eine überflüssige oder unzutreffende Initiale oder ein vergessener Punkt erzeugen „falsche“ bzw. von Suchmaschinen nicht erkannte Autorbezeichnungen. Ganz wenige solcher Fehler sind beim Korrekturlesen übersehen worden, die hier in der standardisierten Form genannt seien: Bercht. & J. Presl (Laurales, S. 159), P. C. Boyce (Orontioideae, S. 207), G. S. Bunting (Jasarum, S. 217), K. Koch & Sello (Philodendron scandens, S. 219), E. M. Friis, K. R. Pedersen & Peter R. Crane (Mayoa portugallica, S. 223; Peter R. Crane nicht zu verwechseln mit P. E. Crane = Patricia E. Crane), K. D. Koenig (Thalassia, S. 231), J. R. Forst. & G. Forst. (Tacca, S. 248), Hook. (Sandersonia aurantiaca, S. 267), Webb & Berthel. (Autonoe, S. 319), Carnevali (Guanchezia, S. 380) und Pfitzer (Dolabrifolia, Macroplectrum, S. 409). Zwei winzige Druckfehler seien hier berichtigt: Sumatra (unter Pyramidanthe prismatica, S. 180) sowie Tecophilaeaceae (S. 285).

Dass die Verfasser sich erfolgreich bemüht haben, neueste Ergebnisse zu Biologie, Ökologie (incl. Palaeoökologie) und Pflanzengeographie der behandelten Taxa zu sammeln und weiterzuvermitteln, verleiht dem Werk einen hohen erzieherischen Wert, wenn es darum geht, dem Niedergang der „klassischen“ Disziplinen in den Hochschul-Curricula entgegenzuwirken. Die Summe der Einzelergebnisse jüngster Forschung auf diesen Gebieten liest sich wie ein spannender Krimiminalroman, etwa zur Thermogenese bei Amorphophallus (S. 224), zur Bestäubungsbiologie der Hydrocharitaceae (S. 232), zur Autogamie bei Tacca trotz des extravaganten floralen Schauapparates, zum Nachweis hochspezialisierter chlorophyllfreier, vermutlich holomycotropher Monokotylen bereits im Turon (Oberkreide) (S. 260) oder zu der Tatsache, dass, was erst 2012 bekannt wurde, Epipogium aphyllum (Orchidaceae) nicht, wie man bislang annahm, autogam ist, sondern von Hummeln (Bombus spp.) bestäubt wird (S. 417). Bei allen akzeptierten Gattungen ist in Klammem die bekannte oder geschätzte Artenzahl angegeben, ebenfalls eine Quelle spannender Informationen, allein bei den Orchideen von artenreichen Gattungen wie Bulbophyllum (1852 spp.) und Epidendrum (c. 1420 spp.) — in der 12. Auflage des Syllabus waren es noch geschätzte 1500 bzw. 800 Arten (Melchior 1964: 620, 621) — bis zu monotypischen Punktendemiten wie der erst im Jahr 2008 beschriebenen Santotomasia (1) vom Berg Santo Tomas auf der philippinischen Insel Luzon (S. 405).

Ein fast 30-seitiges Literaturverzeichnis („References and further reading“, S. 438–465) erschließt die Primärquellen. Durch zwei Validierungen neuer Namen (Isotrema arborea (Linden) Eb. Fisch, comb, nov., S. 154) und Nolinoideae Eb. Fisch. & G. Mwachala subfam. nov., S. 431) wird Teil 4 des neuen Syllabus selber zur Primärliteratur.

Reference

1.

Melchior H. (ed.) 1964: A. Engler's Syllabus der Pflanzenfamilien mit besonderer Berücksichtigung der Nutzpflanzen nebst einer Übersicht über die Florenreiche und Florengebiete der Erde. Ed. 12. — Berlin-Nikolassee: Gebrüder Bornträger. Google Scholar
© 2016 The Author ·
Thomas Raus "Book review," Willdenowia 46(3), 479-481, (1 November 2016). https://doi.org/10.3372/wi.46.46314
Published: 1 November 2016
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