Records of the short-tailed whipscorpion Stenochrus portoricensisChamberlin, 1922 (Schizomida: Hubbardiidae) from greenhouses in North Rhine-Westphalia are presented together with detailed diagnostic drawings of the species. Stenochrus portoricensis is native to southern North America and the Caribbean and is the most commonly introduced species of Schizomida in Europe. In Germany the species has only been recorded previously from Hesse. A review of all introduced schizomid records in Europe reveals that S. portoricensis is currently the only species that occupies habitats outside of greenhouses.
Eine große Zahl von ansonsten nur in den Tropen- und Subtropen verbreiteten Spinnentierarten ist heute aufgrund von Verschleppungen auch in Warm- und Gewächshäusern der gemäßigten Breiten zu finden. Allermeist handelt es sich dabei um Spinnen (Araneae) (z. B. Huber et al. 2015, Kielhorn 2008, Šestáková et al. 2014) oder Milben (Acari) (z. B. Kontschán & Szederjesi 2017, Niedbała 2010).
In den letzten Jahrzehnten wurden verhältnismäßig viele Vorkommen der Zwerggeißelskorpione (Ordnung Schizomida) in europäischen Warmhäusern gefunden, welche vier verschleppten Arten zuzuordnen sind (Tab 1). Die Zwerggeißelskorpione sind eine eher artenarme Ordnung innerhalb der Arachniden. Die aktuellste, den Autoren vorliegende Angabe zur Artenzahl stammt von Monjaraz-Ruedas & Francke (2015) mit 353 rezenten Arten in zwei Familien. Der Verbreitungsraum liegt vor allem in den tropischen und subtropischen Klimaregionen, wo sie meist in der Laubstreu und Höhlen vorkommen (Harvey 2013). In Deutschland sind mit Bucinozomus hortuspalmarum de Armas & Rehfeldt, 2015, Stenochrus portoricensis Chamberlin, 1922 und Zomus bagnallii (Jackson, 1908) aktuell drei Arten der Hubbardiidae ausschließlich aus Tropengewächshäusern bekannt (de Armas & Rehfeldt 2015).
Stenochrus portoricensis stammt ursprünglich vermutlich aus der Karibik und Mittelamerika (Monjaraz-Ruedas et al. 2019), das Typenmaterial stammt von Puerto Rico (Chamberlin 1922). Es ist die am häufigsten nach Europa (Tab. 1) sowie weltweit verschleppte Art ihrer Ordnung. Eine weltweite Übersicht solcher Nachweise geben Teruel & Questel (2019). In Deutschland ist S. portoricensis bisher nur aus dem Palmengarten Frankfurt am Main (de Armas & Rehfeldt 2015) und einem Tropengewächshaus im hessischen Witzenhausen bekannt (Huber et al. 2015). In anderen Ländern Europas ist die Art ebenfalls in Gewächshäusern nachgewiesen worden, z. B. aus Großbritannien und Tschechien (Korenko et al. 2009, Reddell & Cokendolpher 1995). Von den Kanaren und aus Brasilien sind in Höhlen lebende (dorthin verschleppte?) Populationen bekannt (Martín & Oromí 1984, Gallão et al. 2015). Migliorini et al. (2019) berichten von einem Nachweis in einem Nest der Feuerameise Solenopsis saevissima (Smith, 1855) (Hymenoptera: Formicidae). Aufgrund des Fehlens der Männchen an den Verschleppungsstandorten steht die Art im Verdacht, fakultativ parthenogenetisch zu sein (vgl. Christophoryová et al. 2013, Korenko et al. 2009, Martín & Oromí 1984, Teruel & Questel 2019).
Methoden
Die Suche nach Schizomida fand am Tage durch Wenden von gröberen Substraten in Tropengewächshäusern statt. Die Tiere wurden in 80 %igem bzw. 90 %igem Ethanol mit 1 % Methylethylketon-Vergällung konserviert. Die taxonomische Bearbeitung erfolgte anhand der Merkmalsbeschreibungen in Chamberlin (1922), Rowland & Reddell (1980) und Christophoryová et al. (2013). Das Material befindet sich in den Privatsammlungen der ersten beiden Autoren (Sammlung Stephan Lauterbach, Essen = cLE; Sammlung Thomas Hörren, Essen = cHE).
Zeichnungen wurden von S. Lauterbach am Stereomikroskop (Olympus SZH) bei 50–90facher Vergrößerung und am Durchlichtmikroskop (Zeiss Standard WL) bei 100–1000fa-cher Vergrößerung angefertigt. Beide Geräte sind mit einer Zeicheneinrichtungen ausgestattet. Genitalpräparate wurden temporär in Glycerin-Gelatine fixiert. Insgesamt wurden sieben weibliche Tiere für diese Arbeit untersucht.
Die Nachweiskarte wurde in SimpleMappr (Shorthouse 2010) erstellt.
Tab. 1:
Nachweise der Schizomida in Europa (ohne Kanarische Inseln), erweitert nach de Armas & Rehfeldt (2015)
Tab. 1: Records of Schizomida in Europe (without the Canary Islands), modified after de Armas & Rehfeldt (2015)
Ergebnisse
Stenochrus portoricensis Chamberlin, 1922 (Abb. 1)
Material. DEUTSCHLAND, Nordrhein-Westfalen, Köln, Flora und Botanischer Garten der Stadt Köln, großes Tropenhaus, 50,96089°N, 6,96912°E, 40 m NHN, 7. Mrz. 2010, 3 ♀♀ (cHE), T. Hörren leg. & det.; Bonn, Botanische Gärten der Universität Bonn, Victoriahaus, 50,72465°N, 7,09111°E, 57 m NHN, 17. Aug. 2010, 1 ♀ (cHE), T. Hörren leg. & det.; Essen, Grugapark, Pflanzenschauhaus „Tropischer Regenwald“, 51,43146°N, 6,98612°E, 99 m NHN, 3. Feb. 2019, 1 ♀ (cLE), S. Lauterbach leg. & det.; ibidem, 18. Apr. 2019, 1 ♀ (cHE), T. Hörren leg. & det.; Hessen, Frankfurt am Main, Palmengarten, Tropicarium, „Monsun-Passat-Wald“, 50,12378°N, 8,65736°E, 102 m NHN, 23. Mrz. 2017, 1 ♀(cLE), L. Lyubumirova leg., S. Lauterbach det.
Verbreitung der Schizomida in Deutschland und Europa
Bisher sind vier Arten in europäische Warmhäuser verschleppt worden, drei davon auch nach Deutschland. Tab. 1 listet Nachweise aller bisher in Europa eingeschleppten und bekannten Arten, Abb. 2 zeigt alle in Mitteleuropa bekannten Nachweisstandorte von S. portoricensis. Diese schon in ähnlicher Form in de Armas & Rehfeldt (2015) gezeigte Tabelle enthält dort einen Fehler. So stammt der Nachweis von Schizomus crassicaudatus (O. Pickard-Cambridge, 1872) nicht aus Pickard-Cambridge (1872), sondern aus Simon (1896), welcher beschreibt, dass die Art in den Gewächshäusern des Pariser Museums häufig auf dem Kies unter Pflanztöpfen zu finden ist. Zudem wird in der Arbeit von de Armas & Rehfeldt (2015) die Nennung von Zomus bagnallii für den Frankfurter Palmengarten durch Bellmann (2010) nicht erwähnt. Leider ist das von Bellmann gesammelte Material (Blick et al. 2006) aktuell nicht mehr verfügbar (Blick pers. Mit.), und somit kann nicht festgestellt werden, ob er damals wirklich den Erstnachweis für Deutschland erbracht hat. Da Zomus bagnallii allerdings in der Zwischenzeit für den Palmengarten bekannt geworden ist, kann davon ausgegangen werden, dass in Bellmanns Aufsammlung zumindest einzelne Exemplare der Art vorhanden waren.
Diskussion
In Europa ist Stenochrus portoricensis hauptsächlich auf Gewächshäuser beschränkt. Barranco et al. (2014) liefern jedoch einen Nachweis aus einem unterirdischen, höhlenartigen Aquädukt aus der Römerzeit in Sevilla (Spanien). Dieser Fund zeigt, dass die Art, im Gegensatz zu anderen eingeschleppten Schizomiden, auch auf dem europäischen Festland in entsprechend temperierten und nicht permanent gemanagten oder beheizten Lebensräumen dauerhafte Ansiedlungen bilden kann. Ähnlich wie die in Höhlen lebenden Populationen in Brasilien und auf den Kanaren (Martín & Oromí 1984, Gallão et al. 2015), zeigt der spanische Nachweis, dass im Freiland (zumindest an den Verschleppungsstandorten) subterrane Lebensräume am ehesten von S. portoricensis besiedelt werden. Im Zuge des Klimawandels scheint es möglich, dass die Art daher auch in aktuell kälteren Regionen in Europa ähnliche Habitate besiedeln kann. Warmhäuser bzw. deren Fauna gelten als mögliche Quelle für neue, im Freiland potenziell invasive Arten in einer wärmeren Zukunft (Hulme 2017). Wie alle gebietsfremden Arten sollten deshalb auch verschleppte Warmhausarten einem engen Monitoring unterliegen, da ihr zukünftiger Einfluss auf andere Ökosysteme oder auf die Landwirtschaft nicht abzuschätzen ist (Latombe et al. 2017). Obwohl Warmhäuser eine Vielzahl an eingeschleppten Organismen enthalten, fehlen Ansätze zu einer grundsätzlichen Erfassung der Warmhausfauna bislang völlig. Unsystematische faunistische Aufnahmen bilden daher fast immer die einzige Kenntnisgrundlage.
Monjaraz-Ruedas et al. (2020) haben jüngst zudem gezeigt, dass zwischen vielen, aktuell als S. portoricensis aufgefassten Populationen in Mexiko und Mittelamerika (inkl. Karibik), beträchtliche genetische Unterschiede bestehen. So wiesen die Sequenzdaten mancher Individuen aus Mittelamerika und Mexiko eine deutlich größere Ähnlichkeit zu anderen Arten der Gattung als zu Tieren von Puerto Rico, der Typuslokalität, auf. Da es aktuell nicht bekannt ist, welchen Ursprung die verschiedenen Populationen in europäischen Gewächshäusern haben, ist es denkbar, dass auch diese Populationen zu verschiedenen Linien und eventuell auch unbeschriebenen Arten gehören. Allerdings zeigen veröffentlichte und unveröffentlichte COI (Barcode)-Sequenzen von Tieren aus Polen (Zawierucha et al. 2013) sowie aus den USA und Mexiko ( http://doi.org/10.5883/BOLD:ACH4483; Ratnasingham & Hebert 2007) nur sehr geringe Unterschiede, was zumindest für die polnischen Populationen einen Ursprung in letzterer Region (Mexiko, USA) möglich erscheinen lässt. Jedoch besteht auch zwischen manchen mexikanischen und amerikanischen Individuen eine Divergenz von teilweise über 4 %.
Die hier präsentierten Nachweise aus Nordrhein-Westfalen stellen weitere wichtige Nachweise von S. portoricensis neben den bekannten Vorkommen in Hessen dar. So konnte auch gezeigt werden, dass die Art in Nordrhein-Westfalen in mehreren Gewächshäusern in verschiedenen Städten vorkommt, während die bisherige Nachweislage in Europa (Tab. 1, Fig. 2) eher einzelne Zufallsverschleppungen vermuten lässt. Allgemein ist daher anzunehmen, dass die Art in vielen Warmhäusern Deutschlands und Europas bisher übersehen und häufiger verschleppt wurde und deutlich weiter verbreitet ist, als bisher bekannt. Die Nachweise aus Nordrhein-Westfalen in dieser Arbeit beinhalten lediglich weibliche Exemplare und unterstützen die bisherigen Vermutungen zur parthenogenetischen Entwicklung bei dieser Art (Christophoryová et al. 2013, Korenko et al. 2009, Martín & Oromí 1984, Teruel & Questel 2019).
In diversen Internetforen werden Fotos potenzieller weiterer Nachweise von S. portoricensis aus anderen Warmhäusern in verschiedenen Bundesländern in Deutschland gezeigt (z. B. Grabolle 2012). Wir können nur dazu aufrufen, solche Nachweise stets zu publizieren, um einen besseren Eindruck von der Verbreitung und den Verschleppungswegen dieser wahrscheinlich deutlich weiter verbreiteten Art zu bekommen.
Danksagung
Wir danken Stephan Anhalt (Köln) für die Ermöglichung der Aufsammlungen in der Flora und dem Botanischer Garten der Stadt Köln, Markus Radscheit (Bonn) für eine entsprechende Erlaubnis für den Botanischen Garten der Universität Bonn. Dank geht auch an Lyubomira Lyubomirova (Sofia, Bulgarien) für die Überlassung von Material und Peter Jäger (Frankfurt a.M.) für die Hilfe bei den Exkursionen im Frankfurter Palmengarten,Theo Blick (Hummeltal) für die Bereitstellung von Literatur sowie Rainer Breitling für Hilfe bei der Interpretation von Barcode-Daten. Karl-Hinrich Kielhorn (Berlin), Stefan Rehfeldt (Berlin) und der Schriftleitung sei gedankt für die Durchsicht und Korrektur des Manuskriptes.Tobias Bauer wurde durch ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung e.V. unterstützt.